Aminosäuren

Neben den Hydroxycarbonsäuren stellen die Aminocarbonsäuren eine wichtige Stoffklasse dar. Besondere Bedeutung kommt den a -Aminocarbonsäuren (kurz: Aminosäuren) zu. Aus ihnen sind die Peptide und Proteine (siehe Kapitel XX) aufgebaut. Sie haben folgende, allgemeine Struktur:

Außer wenn R gleich H ist (Glycin), haben alle Aminosäuren ein asymmetrisches a -Kohlenstoffatom und sind somit optisch aktiv.

Nomenklatur der Aminosäuren

Typ Name

Formel

Code1) Funktion
Monoamino-monocarbonsäure Glycin  

1

Gly/G
dito Alanin  

2

Ala/A
dito Serin  

3

Ser/S
dito Cystein  

4

Cys/C
dito Cystin  

5

Aufbau der Plasma-Eiweißstoffe, Entgiftung tox. Stoffwechselprodukte
dito Phenylalanin*  

6

Phe/F Ausgangsstoff für die Bildung des Tyroxins, Adrenalins usw.; bei Fehlen Störungen der Schilddrüsen- und Nebennierenrinden-Funktion
dito Tyrosin  

7

Tyr/Y
dito Threonin*  

8

Thr/T Zur Verwertung der Aminosäuren der Nahrung
dito Methionin*  

9

Met/M Für das Wachstum des Körpers und der Haare. Leber-Schutzfunktion. Bei Fehlen Leberverfettung, Muskel-atrophie und Anämie
dito Valin*  

10

Val/V Notwendig zur normalen Funktion des Nervensystems. Bei Fehlen Hyperästhesie und Krämpfe
dito Leucin*  

11

Leu/L

Zum Aufbau der Plasma- und Gewebe-Eiweißkörper
dito Isoleucin*  

12

Ile/I Zur Verwertung der Aminosäuren der Nahrung. Fehlen bewirkt Gewichtsabnahme
Diamino-monocarbonsäure Arginin*  

13

Arg/R Für das Wachstum des Körpers
dito Lysin*  

14

Lys/K Für das Wachstum des Körpers. Bei Fehlen Zwergenwuchs
Monoamino-dicarbonsäure Asparaginsäure  

15

Asp/D
dito Asparagin  

16

Asn/B
dito Glutaminsäure  

17

Glu/E Das Mononatriumsalz steigert die geistige Leistungsfähigkeit. In der Lebensmittelindustrie verschiedenen Extrakten zur Geschmackssteigerung zugesetzt
dito Glutamin  

18

Gln/Q
Heterocyclische Aminosäuren Prolin  

19

Pro/P
dito Hydroxyprolin  

20

dito Tryptophan*  

21

Trp/W Für die Bildung des Augenpigments. Fehlen bedingt Haarausfall. Star
dito Histidin*  

22

His/H Für die Bildung des Blutfarbstoffs sowie verschiedener Nucleinsäuren. Fehlen bedingt Anämie

1) Bei dem Code gibt es zwei verschiedene Systeme, das ältere Symbol mit drei Buchstaben und das neuere mit einem Buchstaben.

* Diese Aminosäuren sind für den Menschen essentiell, können also von ihm nicht synthetisiert werden und müssen deshalb dem Körper mit der Nahrung zugeführt werden.

Die folgende Tabelle stellt noch einige seltenere Aminosäuren sowie wichtige Derivate der Aminosäuren vor:

Name Strukturformel Herkunft Funktion
ß-Alanin H2N-CH2-CH2-COOH Pantothensäure
a -Amino-buttersäure CH3-CH2-CH(NH2)-COOH Corynebacterium diphtheriae
g -Amino-buttersäure H2N-CH2-CH2-CH2-COOH Bakterien, Hefe, Pflanzen Transmitter im Gehirn
a ,e -Diamino-pimelinsäure HOOC-CH(NH2)-(CH2)3-CH(NH2)-COOH Corynebacterium diphtheriae
Thyroxin Struktur 23, s.o. Thyreoglobulin Hormon d. Schilddrüse
Diiodtyrosin Struktur 24, s.o. Thyreoglobulin
ß-Thiovalin (CH3)2C(SH)-CH(NH2)-COOH Penicillin
Lanthionin S[CH2-CH(NH2)-COOH]2 Subtilin
Djenkolsäure CH2[S-CH2-CH(NH2)-COOH]2 Djenkelnüsse
g -Methylen-glutaminsäure Struktur 25, s.o. Erdnuß
a ,g -Diamino-buttersäure H2N-CH2-CH2-CH(NH2)-COOH Polymyxine
Ornithin H2N-CH2-CH2-CH2-CH(NH2)-COOH Polypeptide Harnstoff-cyclus
Hydroxylysin H2N-CH2-CH(OH)-(CH2)2– CH(NH2)-COOH Kollagen
Citrullin H2N-CO-NH-(CH2)3-CH(NH2)-COOH Wassermelone, Cassein Harnstoff-cyclus
Canavanin Struktur 26, s.o. Sojabohne

Essentielle Aminosäuren

Wie schon oben erwähnt, kann der menschliche Körper nicht alle Aminosäuren synthetisieren. Nachfolgende Tabelle zeigt den täglichen Mindestbedarf in mg/kg Körpermasse.

Aminosäure

Kind

Mann

Frau

Isoleucin

126

450

700

Leucin

150

620

1.100

Lysin

103

500

800

Methionin

45

550

1.010

Phenylalanin

90

1.120

1.400

Threonin

87

300

500

Tryptophan

22

160

250

Valin

105

650

800

Eigenschaften von Aminosäuren

Aminosäuren enthalten eine basische (NH2) und eine saure (COOH) Gruppe im selben Molekül. Sie liegen deshalb zwitterionisch vor. Man nennt dies die Betainstruktur.

Die zwitterionische Struktur der Aminosäuren kann durch ihr elektrophoretisches Verhalten nachgewiesen werden. Bei einem gewissen pH-Wert, dem isoelektrischen Punkt, wandern die Aminosäuren unter der Wirkung einer angelegten Spannung nicht.

Durch Zugabe von Säure wird aus dem nach außen neutralen Zwitterion ein Kation gebildet, das bei der Elektrophorese zur Kathode wandert, während durch Zugabe von Base der Ammoniumcharakter aufgehoben wird und das entstehende Anion zur Anode wandert. Nachfolgend ist die Titrationskurve von Glycin mit der zugehörigen Reaktionsgleichung abgebildet.

Der pH-Wert des Zwitterions (= isoelektrischer Punkt) ist von der Struktur der Aminosäure abhängig und stellt eine charakteristische Größe dar. Glycin hat den isoelkrtischen Punkt bei pH 5,97.

Wie schon erwähnt, sind außer Glycin alle Aminosäuren optisch aktiv. Sie kommen natürlich überwiegend in der L-Form vor, wie z.B. Alanin:

Darstellung von Aminosäuren

Die Darstellung von Aminosäuren kann durch Umsetzung von Halogencarbonsäuren mit Ammoniak durch eine nucleophile Substitution erfolgen. Nach diesem Verfahren sind sowohl α- als auch β- und γ-Aminosäuren zugänglich.

α-Aminosäuren können auch nach der sogenannten Strecker-Synthese dargestellt werden. Hierbei geht man von einem Aldehyd aus, der ein Kohlenstoffatom weniger als die herzustellende Aminosäure hat, und setzt diesen mit Ammoniak und Cyanid um.

Eine weitere Synthese geht, wie der biochemische Weg (Transaminierung), von Ketocarbonsäuren aus. Mit Ammoniak wird zuerst die entsprechende Schiff’sche Base hergestellt, die anschließend zum Amin reduziert wird.

Reaktionen von Aminosäuren

Aminosäuren reagieren wie Amine und Carbonsäuren. So bilden sie z.B. Carbonsäure-Derivate. Hier sind vor allem die Amide zu erwähnen. Zwei oder mehrere Aminosäuren können sich unter Wasserabspaltung zu Amiden verbinden. Dabei entstehen Peptide und Proteine.

Aminosäuren können wie primäre, aliphatische Amine durch ihre Reaktion mit salpetriger Säure nachgewiesen werden. Diese Methode kann man durch gasvolumetrische Messung des entstehenden Stickstoffs quantitativ auswerten (van Slyke).

Weiterhin dient der sehr empfindliche Ninhydrin-Test dem Nachweis von Aminosäuren, mit dem noch 0,1 mMol durch ihre intensive Farbreaktion zu erkennen sind.